Aus der Geschäftstätigkeit von Banken erwachsen zugleich Chancen und Risiken. Das Eingehen kalkulierter Risiken stellt eine Kernfunktion von Kreditinstituten dar und ist die Voraussetzung für die Erzielung angemessener Erträge. Die Finanzkrise hat jedoch gezeigt, dass bestehende Risiken in Extremsituationen durch die bisherigen Methoden nicht ausreichend quantifiziert werden können. Übersteigen die Verluste die Höhe des Eigenkapitals kann dies, wie im Fall von Lehman Brothers, sogar die Zahlungsunfähigkeit zur Folge haben.
Um dem entgegenzuwirken sind Banken dazu angehalten ihre Risikomanagement-Systeme ständig zu verbessern. In den vergangenen Jahren hat diesbezüglich bereits ein Wandel von traditionellen qualitativen Techniken hin zu quantitativen Methoden stattgefunden, die Abbildung seltener, für ein Unternehmen besonders riskanter Ereignisse, ist jedoch häufig noch ungenügend. Mit der zweiten Novelle der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) vom 14. August 2009 rückt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) diese Ereignisse, die früher gewöhnlich als unbedeutende Ausreißer abgetan wurden, ins Zentrum der Betrachtung. Ergänzend zu den herkömmlichen Methoden schreibt die BaFin die Durchführung regelmäßiger Stresstests sowie die Prüfung ihrer Auswirkungen auf die Risikotragfähigkeit vor.
Unter Stresstests wird die Gesamtheit aller Analysemethoden verstanden, die von den Verfahren der Risikoquantifikation in normalen Marktsituationen abweichen und zur Identifikation von Verlustpotenzialen Extremsituationen dienen. Stresstests bieten einen umfangreichen Gestaltungsspielraum. Im Rahmen von univariaten Stresstests kann der Einfluss einzelner Modellparameter, wie beispielsweise der Ausfallwahrscheinlichkeiten oder Zinsen, auf das Verlustpotenzial untersucht werden. Multivariate Stresstests, umfassen die Veränderungen mehrerer Modellparameter und ermöglichen so eine bessere Abbildung der Realität. Da multivariate Stresstests auch Korrelationen unter den Modellparametern berücksichtigen sollen, ist ihre Konzeption sehr komplex und erfordert ein hohes Maß an quantitativem Verständnis. Im Rahmen dieser Diplomarbeit sollen Stresstests für das Portfolio der Investitionsbank Berlin (IBB) entwickelt werden.
Das Hauptthema dieser Diplomarbeit ist die Konzeption von Stresstests für das Portfolio der IBB womit Verlustpotenziale infolge extremer Marktbedingungen identifiziert werden können. Es werden Stresstests für das Adressenausfall- Marktpreisrisiko und operationelle Risiko entwickelt. Dazu werden zunächst die Modelle vorgestellt mit denen die IBB standardmäßig die aus diesen Risikoarten resultierenden Verlustrisiken quantifiziert. Es wird anschliessend ein Regressionsmodell zur Ermittlung konjunkturabhängiger Ausfallwahrscheinlichkeiten geschätzt und zur Berechnung des Adressenausfallrisikos für Extremsituationen herangezogen. Dieses neue Modell ist ein Modifikation der One Parameter Representation von Forrest, Belkin und Suchower; es hat neben einem geringeren Rechenaufwand und einer besseren Approximation vorallem einen sehr viel geringeren Datenaufwand (Historie von Banken-Migrationsmatrizen). Da diese Daten sehr teuer sind, spart diese Methode somit finanzielle Mittel. Weiterhin wird mit Hilfe der Peaks-over-Threshold Methode (POT) ein Stressszenario für das operationelle Risiko der IBB entwickelt. Diese Methode erlaubt eine realistischere Einschätzung der sog. Tails der Schadenshöhenverteilungen der einzelen Risikozellen. Am Ende werden die Ergebnisse der Stresstests im Hinblick auf die Risikotragfähigkeit der IBB am Stichtag 31.12.2009 dargestellt.